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Uni macht Schule

Interessante Einblicke in Wissenschaft und Forschung

Unter dem Titel “Uni macht Schule” bietet das Gymnasium Neureut eine außergewöhnliche Vortragsreihe, die Einblick in verschiedene Forschungsbereiche von Hochschulen gibt. Renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten in allgemein verständlichen Vorträgen von ihren Spezialgebieten, um so bei den Schülerinnen und Schülern ab Klasse 10 das Interesse an einem Studium zu wecken. Die Vortragsreihe, die viermal im Schuljahr - in der Regel in unserem Studiensaal, zuweilen auch online - stattfindet, steht auch interessierten Lehrerinnen und Lehrern sowie der Öffentlichkeit offen.

Vorträge im Schuljahr 2023/2024

Gegen die Krise in Deutschland: Digitalisierung und Diversifizierung

Die ökonomischen Herausforderungen, mit denen Deutschland gerade zu kämpfen hat, sind vielfältig: vom Fachkräftemangel bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit über den Klimawandel bis hin zur Rezession. Wie lassen sich die Probleme angehen? Wie können Unternehmen resilienter werden? „Digitalisierung: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten“ lautete der Titel des jüngsten Vortrags in der Reihe „Uni macht Schule“, der im Studiensaal des Gymnasiums stattfand. Referentin war Professor Dr. Irene Bertschek, die neben einem Lehrstuhl für die „Ökonomie der Digitalisierung“ an der Universität Gießen auch die Leitung des Forschungsbereichs „Digitale Ökonomie“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim innehat. Die Volkswirtin ist darüber hinaus stellvertretende Vorsitzende des „Expertenrats Forschung und Innovation“ der Bundesregierung und wurde von Olaf Scholz 2022 in den Zukunftsrat berufen. 

Wie lautet das Credo der Expertin? Um es auf den Punkt zu bringen: Geschäftsprozesse sollten digitalisiert und Lieferketten diversifiziert werden. Während der Krisen der vergangenen Jahre und Monate sei das Bruttoinlandsprodukt gesunken, die Inflation gestiegen. „Krisen schränken die Innovationstätigkeit ein“, sagt die Volkswirtin und verweist auf eine Studie des ZEW. Innovationen aber seien wichtig, damit die Produktivität steigen könne. „Es geht dann allen besser“, betont sie. Krisen aber können auch Auslöser für Innovationsprojekte sein, sagt sie und nennt Digitalisierungsschübe in vielen Branchen während der Corona-Pandemie. An einem Schaubild macht die Referentin deutlich, was Digitalisierung beinhaltet und welche Bedeutung sie hat. Durch neue Hardware, Software und Möglichkeiten der digitalen Verbindung und Verknüpfung entstehen neben neuen Produkten und Dienstleistungen auch neue Arbeits- und Produktionsprozesse und innovative Geschäftsmodelle. Ökonomisch kann das zu mehr Produktivität, Wettbewerb und Beschäftigung führen. So sind digitale Arbeits- und Produktionsprozesse in der Regel effizienter und damit produktiver. Der Wettbewerb kann angeregt werden; es besteht aber auch die Gefahr einer starken Marktmacht, wie bei Google, Apple oder Amazon. Was die Beschäftigung angeht, so fielen zwar Jobs weg, aber es entstünden auch neue. „Der Netto-Effekt ist positiv“, so Professor Irene Bertschek.

Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt von der Digitalisierung und Diversifizierung ab, sagt Professor Bertschek.

Anhand eines Schaubilds zeigt die Referentin, dass Deutschland innerhalb der EU bei der Digitalisierung im Schnitt einen mittleren 13. Platz einnimmt. Besonders schlecht schneidet Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens und der öffentlichen Verwaltung ab. Was die Branchen angeht, so ist die Branche der Informations- und Kommunikationstechnologien stark digitalisiert, während das Baugewerbe und die gesellschaftsnahen Dienstleistungen einen sehr geringen Digitalisierungsgrad aufweisen. Warum ist die Digitalisierung für eine Wirtschaft so wichtig? Drei Gründe sind für die Volkswirtin hier ausschlaggebend: „Digitalisierung führt zu einer dynamischen, technologischen Entwicklung, sie ist breit anwendbar und die Unternehmen werden zu Innovationen befähigt“. Als Beispiel nennt sie das Auto als „fahrenden Computer“ oder auch den Online-Handel. „Damit“, so ihr Fazit, „stärkt die Digitalisierung die Resilienz“. Digital aufgestellte Firmen würden besser durch Krisen kommen. 

Resilienz durch Digitalisierung werde es aber nur dann geben, so die Volkswirtin sinngemäß, wenn es auch eine digitale Souveränität gebe. Augenblicklich aber – und das zeigt Professor Bertschek an einer Grafik – haben die Europäische Union und Deutschland bei digitalen Schlüsseltechnologien einen komparativen Nachteil gegenüber anderen Nationen – vor allem China und Südkorea. Die technologische Souveränität ist nur gering ausgeprägt, die Abhängigkeit von anderen Ländern bei Schlüsseltechnologien hoch. „Wir müssen die Lieferketten diversifizieren“, betont die Referentin und stützt ihre These mit der Aussage, dass Diversifizierung neben Arbeit, Kapital und sonstigen Faktoren im signifikanten Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg stehe.

Die Gründe, warum Deutschland bei der Digitalisierung nicht vorne mitspielt, sieht Bertschek insbesondere in einer Vielzahl an Regulierungen hierzulande, in den mangelnden „digital skills“ und in einer im Vergleich zu anderen Ländern geringeren Technikaffinität in der Bundesrepublik. Gerade die Investition in digitale Kenntnisse und Cybersicherheit sei aber immens wichtig – unter anderem auch, um die Gefahren für die deutsche Wirtschaft durch Hacker und Desinformation zu minimieren. Bei der Frage, wo sie die größten Hemmnisse für Innovation in Deutschland sieht, zögert die Volkswirtin keinen Moment: „Das ist der Fachkräftemangel und die Bürokratie“. (mh)

"Gesund ist pflanzenbetonte Nahrung und regelmäßige Bewegung"

„Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“ lautete ein Slogan, den das Agrarmarketing 1967 erfand, und der noch vor wenigen Jahren auf Werbeplakaten auftauchte. Zum fast geflügelten Wort entwickelte sich auch der Slogan „Milch macht müde Männer munter“ aus den 50er-Jahren. Tierische Produkte galten lange als unerlässlich und alternativlos für die Ernährung. Das Tierwohl und die Auswirkungen einer intensiven Vieh- und Landwirtschaft auf das Klima spielten noch keine Rolle und das Wissen um die gesundheitlichen Aspekte eines hohen Konsums von Fleisch, Wurst und tierischen Produkten war gering. Und heute? Der Verzehr tierischer Lebensmittel sinkt in Deutschland tendenziell, bewegt sich allerdings immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Wie aber sollte eine gute Ernährung aussehen? „Sport und Essen: Mit der richtigen Ernährung ans Ziel“ lautete das Thema des jüngsten Vortrags in der Reihe „Uni macht Schule“ am Gymnasium Neureut. Referent war Professor Dr. Achim Bub, der sowohl am Institut für Sport und Sportwissenschaft am KIT arbeitet als auch Leiter des Studienzentrums für Humanernährung am Max-Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe ist.

Ein „riesiges Feld“ sei das, meinte Professor Bub gleich zu Anfang, ein Thema, mit dem man sich ein ganzes Leben lang beschäftigen könne. Zwei große Bereiche seiner Forschung sprach der Ernährungsmediziner in seinem Vortrag an: Den Zusammenhang zwischen Ernährung und Leistung einerseits und zwischen Ernährung und Gesundheit andererseits. Während er bei der Leistungsphysiologie am KIT der Frage nachgehe, wie man als Sportler noch „das Letzte aus sich rausholen“ könne, beschäftigt er sich am Max-Rubner-Institut damit, wie sich verschiedene Formen der Ernährung auf den Stoffwechsel auswirken. „Bei manchen Krankheiten macht der Lebensstil 60 bis 80 Prozent aus“, betont der Ernährungsmediziner. Neben der Ernährung und der Bewegung zählt der Professor hierzu Alkoholkonsum und Rauchen. Diese Faktoren seien assoziiert mit den Krankheiten Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten und einigen Krebsarten.

Professor Achim Bub während seines Vortrags zu Sport und Ernährung.

Da die Menschen weniger Fleisch essen, so der Referent, sei der Konsum von pflanzlichen Produkten gestiegen. „Kommt man im Sport mit pflanzlicher Ernährung weiter? Kann man mit veganer Ernährung Höchstleistungen erbringen“, fragt er. Seine Antwort ist eindeutig: Ja – wenn bei der pflanzlichen Ernährung bestimmte Aspekte beachtet würden und beispielsweise Vitamin B12 substituiert würde. Er rät bei dem Wunsch nach einer Ernährungsumstellung zum Veganismus allerdings zu einer vorherigen fundierten Beratung. Er machte deutlich, dass bei der Leistung im Sport neben den Faktoren Training, Psyche und Talent die Ernährung eine enorm wichtige, weil modulierende Rolle spiele: „Durch eine optimale Ernährung kann das Potenzial im Sport erst richtig abgerufen werden“. Der Flüssigkeitshaushalt und die Energie seien hierbei die ausschlaggebenden Faktoren. Zur Energiegewinnung seien aus den Hauptnährstoffen – Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen, Spurenelementen, Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen – vor allem die Kohlenhydrate wichtig – insbesondere für Ausdauersportler. Kohlenhydrate werden zu Glykogen umgewandelt und in der Leber und in den Muskeln gespeichert. Diese Glykogenspeicher könne man vergrößern, indem man sie zunächst komplett entleert und dann über den Bedarf hinaus Kohlenhydrate zu sich nimmt – „carboloading“ nenne sich dieses Verfahren. 10 bis 12 g Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht empfehle die Deutsche Gesellschaft für Sporternährung vor einem Ausdauerwettkampf, beispielsweise einem Marathonlauf. 

Proteine dagegen eigneten sich eher weniger zur Energiegewinnung. „Ausdauersportler benötigen übrigens mehr Proteine als Kraftsportler“, erklärte Bub. So sei das Protein neben dem Muskelaufbau vor allem notwendig zur Regeneration der Muskulatur. Professor Bub zeigte anhand der Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehr als notwendig mit Protein versorgt seien. Der Proteinbedarf eines Erwachsenen liege bei etwa 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, für Sportler bei 1,2 bis 2,0 Gramm. „Diese Proteinversorgung kann ich mir auch vegan holen“, erklärt Professor Bub. „Es kommt auf die Qualität, also auf die essenziellen Aminosäuren an“. Auf die Frage aus dem Publikum, ob zu viel Protein denn schädlich sein könne, weist er darauf hin, dass der überschüssige Stickstoff aus den Aminosäuren als Harnstoff über die Nieren ausgeschieden werde, was die Nieren belasten könne.

Beim Thema Gesundheit und Ernährung sowie Bewegung machte er deutlich, dass es wichtig sei, sich in jeder Lebensphase regelmäßig zu bewegen. „Was wir übrigens in jungen Jahren aufbauen, haben wir gewissermaßen später als Reserve“. Damit meint er vor allem neuronale Verschaltungen, die auch im Alter für Bewegungsabläufe noch zur Verfügung stünden. Viele der lebensstilassoziierten Krankheiten entwickelten sich schleichend – zum Beispiel Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes. Bewegungsmangel und der Konsum von Fleisch, Wurst, Alkohol und Zigaretten spielten hierbei eine Rolle. Sein Fazit ist deutlich: „Gesund ist eine pflanzenbetonte Ernährung und regelmäßige Bewegung“. Und dann lud er das Publikum ein, demnächst an einer großangelegten Studie des Max-Rubner-Instituts teilzunehmen. Der Titel: COPLANT. Und der Forschungsgegenstand? „Wir untersuchen, was genau den Körper durch eine pflanzenbetonte Ernährung schützt und wie sie sich auf die Leistungsfähigkeit auswirkt“, erzählt Professor Achim Bub. Und dann lacht er: „Essen für die Wissenschaft gewissermaßen“. (mh) 

Auch mit rein pflanzlicher Nahrung können Sportler Höchstleistungen erbringen, sagt Professor Bub.

Nanostrukturen: Erhöhte Effizienz und geschonte Ressourcen

Wenn die Materialwissenschaft Oberflächen optimieren will, nimmt sie oft Anleihen bei der Natur. So ist das Ei der Güllefliege zum Beispiel nicht nur atmungsaktiv, sondern auch antibakteriell und hydrophob. Spinnenseide ist extrem stabil und lässt sich gleichzeitig mehr als zweieinhalbfach dehnen. Und Perlmutt ist nicht nur schön, sondern gehört zu den stabilsten und gleichzeitig biegsamsten Materialien, die es gibt. Was ist das Geheimnis dieser Materialien? Die Antwort liegt in den Nanostrukturen, in extrem dünnen Strängen oder Schichten, deren Höhe sich im Millardstel-Bereich eines Meters bewegt. „Nanostrukturen im Alltag“ lautete auch der Titel des jüngsten Vortrags in der Reihe „Uni macht Schule“ am Gymnasium Neureut. Referent im fast vollbesetzten Studiensaal der Schule war Dr. Stefan Walheim vom Institut für Nanotechnologie am KIT.

Stefan Walheim im Gespräch mit Schülern nach seinem Vortrag.

Bereits in seiner Diplomarbeit an der Universität Konstanz beschäftigte sich der begeisterte Wissenschaftler mit der Optimierung von Oberflächen im Bereich der Polymer-Physik und auch seine Doktorarbeit behandelte das Thema Polymer-Blend, also Kunststoff-Legierungen mit bestimmten optimierten Eigenschaften. Dass die Leidenschaft für dieses Thema immer noch ungemindert groß ist, zeigte sich während seines Vortrags. Dr. Walheim referierte nicht nur, er experimentierte. Mit einer Vielzahl an Apparaturen war er in den Studiensaal gekommen, um den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, wie eine Nanostrukturbildung über eine Polymer-Phasen-Separation vonstattengeht. Einfach ausgedrückt wird aus einer extrem dünnen Polymerschicht eine Sorte der Polymere rausgelöst, sodass winzigste Strukturen entstehen – „eine intern poröse, luftige Oberfläche“, wie der 55-jährige erklärt. Dadurch gewinnt man Antireflex-Schichten, um beispielweise die Spiegelung von Photovoltaikanlagen zu minimieren und deren Wirksamkeit zu erhöhen. Auch noch nach dem Vortrag ließ Dr. Walheim sich von an Physik interessierten Schülern sehr gerne zu dem Verfahren und weiteren Forschungsbereichen befragen. 

Wie wichtig diese Forschung für die Transformation der Wirtschaft zu mehr Klima- und Umweltschutz ist, wurde ebenfalls deutlich. Nanostrukturierte optimierte Materialien können die Effizienz erhöhen, Chemikalien einsparen und Ressourcen schonen. Zu nennen wäre da beispielsweise der Salvinia-Effekt, den Dr. Walheim sich mit seinem Team für die Forschung zunutze macht. Der Schwimmfarn Salvinia ist in der Lage, aufgrund seiner Oberflächeneigenschaften tagelang eine Luftschicht unter Wasser an sich zu binden. Wenn man durch Nanostrukturen Schiffsoberflächen mit dieser Eigenschaft ausstattet, lassen sich Reibungsverluste extrem minimieren und enorm viel Treibstoff sparen. Aber nicht nur das: „Der Schiffsrumpf hat dann auch einen Antifouling-Effekt“, so Dr. Walheim. Die Oberfläche bleibt also frei von Anhaftungen – und das ganz ohne Chemikalien. (mh)

 

 

Stefan Walheim während seines Vortrags zur Nanotechnologie.

Nachhaltiges Bauen am Beispiel des "RoofKIT"

„Eine Möglichkeit die europäische Vision von Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und verantwortungsvollem Energiemanagement umzusetzen, präsentierte Katharina Blümke, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fakultät für Architektur am KIT, im nahezu vollbesetzen Studiensaal im Rahmen ihres kurzweiligen Vortrags „Gebäude im Kreislauf: Nachhaltiges Bauen am Beispiel des Roofkit“.
40% - das ist der Anteil für den die Bauindustrie an den weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Der Architekturwettbewerb Solar Decathlon möchte daher den Fokus auf die Umsetzung nachhaltiger Architektur legen. Katharina Blümke erklärte hierbei wichtige Konzepte des nachhaltigen Bauens, wie beispielsweise das Urban Mining oder das sortenreine Bauen. Besonders hervorgehoben wurde die Problematik um den Rohstoff Sand, welcher zur Herstellung verschiedener Baumaterialien wie beispielsweise Beton und Glas benötigt wird. Durch den immer weiter steigenden Sandabbau wird die Erosion von Küsten und Flussufern, die Zerstörung von Lebensräumen und somit ein erhöhtes Risiko gegenüber dem Klimawandel in Kauf genommen.
Im Rahmen der Teilnahme am Wettbewerb Solar Decathlon Europe 21/22, welcher im Juni 2022 zum ersten Mal in Deutschland ausgetragen wurde, setzte das Team der Architekturfakultät des KIT wesentliche Konzepte des nachhaltigen Bauens in die Tat um. Die Aufgabe bestand darin, das „Café Ada“ im Wupperteiler Stadtteil Mirker um weitere Stockwerke aufzustocken. Das Team des RoofKIT zeigte anhand verschiedener Aspekte, dass die Umsetzung nachhaltiger, ressourcensparender und energiesammelnder Architektur möglich ist. Dies schafften sie beispielsweise durch die Wiederverwertung von Fenstern aus älteren Gebäuden, die Nutzung von Vollholz oder den Verzicht von Kleber. Schlussendlich konnten sich sogar gegenüber den anderen 17 Entwürfen durchsetzen und den Wettbewerb für sich gewinnen. Mittlerweile steht das Demonstrationsgebäude auf dem Campus des KIT und kann dort besichtigt werden.
Wir danken Katharina Blümke für einen spannenden und lehrreichen Abend im Rahmen von Uni macht Schule. (za)

Veranstaltungen im Schuljahr 2022/2023

Vortrag zur Klimabildung: "Das Potenzial, die Welt besser zu machen"

Panische Angst vor dem Risiko der Klimaerwärmung ist kein guter Ratgeber für zukunftsfähige Handlungsoptionen. Oft lähmt sie sogar. Und die Sorglosigkeit? Sie natürlich auch nicht. Mit ihr leben, konsumieren, heizen, reisen und essen die Menschen wie zuvor, was im Hinblick auf den Klimawandel noch weniger zukunftsfähig ist. Wie so oft bräuchte es einen Mittelweg der Wahrnehmung, die Balance zwischen Angst und einem Laisser-faire, um die Menschen ins Handeln zu bringen. Wo dieser Weg liegen könnte – das unter anderem untersucht Dr. Carola Garrecht zusammen mit einem Team beim Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und der Mathematik in Kiel. „Klimabildung und die Rolle der Risikowahrnehmung für klimafreundliches Handeln“ hieß der jüngste Vortrag im Rahmen von „Uni macht Schule“ am Gymnasium Neureut, der mit mehr als 50 Schülerinnen und Schülern – aufgrund der großen Distanz zwischen Kiel und Karlsruhe online – stattfand.

„Bringing Climate Change to Schools“ heißt das deutsch-schwedische Forschungsprojekt, an dem die in Karlsruhe geborene und in Stutensee aufgewachsene Erziehungswissenschaftlerin Dr. Carola Garrecht gerade arbeitet. Es umfasst drei Arbeitspakete: die Untersuchung der Frage, welchen Einfluss die Risikowahrnehmung auf klimafreundliches Handeln von Schülerinnen und Schülern hat, die Frage, welche Aspekte von Klimabildung bei Klima-Aktivisten und Aktivistinnen besonders ausgeprägt sind und die Frage, wie sich Klimabildung im Unterricht fördern lässt. Anhand von 21 Items aus den beiden Kategorien globale und persönliche bzw. lokale Risikowahrnehmung wurden 700 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Bundesländern nach ihrer subjektiven Beurteilung potenzieller Risiken des Klimawandels gefragt – mit dabei war vor rund zwei Jahren auch das Gymnasium Neureut. Auf einer vierstufigen Skala konnten die Teilnehmer Kästchen zwischen „nicht wahrscheinlich“ (1) und „sehr wahrscheinlich“ (4) ankreuzen. Das Ergebnis: Im Mittel lag es bei 2,78; das lokale Risiko wurde mit 2,16 aber viel geringer eingeschätzt als das globale mit 3,25. Ihr eigenes Leben, ihr eigenes Umfeld sehen die Schülerinnen und Schüler, die an der Umfrage teilgenommen haben, also viel weniger vom Klimawandel betroffen an. Im Anschluss an die Risikowahrnehmung wurden die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer mit einer fünfstufigen Skala nach ihren Intentionen zu klimafreundlichem Handeln gefragt – beispielsweise in den Bereichen Konsum, Ernährung, Stromverbrauch. Das Ergebnis: „Eine höhere Risikowahrnehmung führt zu klimafreundlicherem Handeln“, fasste Dr. Garrecht die Ergebnisse zusammen.  „Aber: Eine zu große Risikowahrnehmung führt zur Lähmung“. Den Mittelweg zu finden, wie Klimabildung an Schulen zu engagiertem Handeln führt – das ist das Ziel des nächsten Arbeitspakets, mit dem sich die Kieler Forschungsgruppe gerade beschäftigt.

In ihrem lebendigen und kurzweiligen Vortrag, in den sie auch die Zuhörerinnen und Zuhörer immer wieder mit einbezog, machte Dr. Garrecht deutlich, dass das Aufzeigen von Handlungsoptionen enorm wichtig sei. Ein Werkzeug: der CO2-Fußabdruck, durch den sich die Emissionen pro Kopf in den verschiedenen Bereichen Wohnen, Strom, Ernährung, Mobilität etc, berechnen lassen. 10,8 Tonnen CO2 emittiert der durchschnittliche Deutsche jährlich; um die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, dürfte es aber nicht mehr als 1 Tonne sein. „Es gibt einen Dschungel unendlicher Handlungsoptionen“, betonte Dr. Garrecht und machte deutlich, dass Politik und Wirtschaft einen großen Teil dazu beitragen müssten, um strukturelle Hindernisse abzubauen – beispielsweise im öffentlichen Nahverkehr oder in der Industrie. Vor einigen Jahren sei der CO2-Handabdruck ins Leben gerufen worden. Vereinfacht beschrieben bildet der CO2-Fußabdruck die Emissionen ab, während der Handabdruck die Einsparungen in den Blick nimmt. Es wird gemessen, wie viele Emissionen eine Person, eine Gruppe, ein Unternehmen oder eine Institution bereits eingespart hat. „Der Handabdruck setzt auch an Strukturen an, legt den Fokus auf tiefgreifende Stellschrauben“, meint die Referentin. Und er sei motivierend.

Was könnte man an unserer EMAS-zertifizierten Umweltschule noch besser machen? Wo ist das Gymnasium Neureut schon ins Handeln gekommen? Das wollte Dr. Garrecht wissen. Beeindruckt zeigte sie sich von den zahlreichen Arbeitsgemeinschaften an der Schule, die sich mit dem Schulgarten, der Umwelt und der Ernährung beschäftigen. Das Thema ist – hinsichtlich des Wissens und des Handelns – weit über den Unterricht hinaus präsent. Aber: Es gibt noch viel zu tun, dieser Meinung sind auf jeden Fall einige Schüler. „Mehr Grünflächen, weniger Beton“, wünscht sich ein Oberstufenschüler. Ein Abiturient beklagt die mangelnde Isolierung des Gebäudes und eine Heizung, die nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Ein anderer schlägt eine sinnvollere und sparsamere Verwendung des Wassers vor. Auch einige Fragen stellten die Schülerinnen und Schüler der Referentin. Eine besonders wichtige: Wie können Schule und Unterricht die Klimabildung fördern? Hier aber hält sich Dr. Garrecht noch bedeckt, da sie und ihr Team gerade mitten in der Auswertungsphase zu dieser Frage stecken. Sie verspricht aber wiederzukommen, wenn die Ergebnisse vorliegen und ausgewertet sind. Mit ihrer positiven und wertschätzenden Art macht die junge Frau den Schülerinnen und Schülern schon einmal Mut: „Ihr habt das Potenzial, die Welt ein Stück besser zu machen!“ (mh)

Eine größere Risikowahrnehmung führt zu einem klimafreundlicheren Handeln. Das ist eine der Erkenntnisse von Dr. Carola Garrecht.